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#Tag 8: Esel mit Weitblick

Steffi und ich starten zusammen, wandern über sanfte Berge und knarzende Wanderpfade. Der Boden? Durchzogen von Wurzeln, übersät mit Steinen – eine perfekte Mischung aus wunderschön und fußfeindlich. Aber das ist uns egal. Denn wir reden. Über Kinder. Über Erziehung. Über die Wege des Lebens, die wir selbst gegangen sind. Es sind tiefe, schöne und vor allem wertvolle Gespräche. Camino-Gespräche. Mein Dank an Steffi es war mir ein Fest – für Worte, die auch in Zukunft mitwandern.


Nach knapp sechs Kilometern machen wir Pause. Direkt am Waldrand, in einer liebevoll improvisierten Pilgerimbisbude, die sich frech am Wegesrand eingenistet hat. Im Schatten sitzen andere Pilger, wir gesellen uns an einem Tisch dazu, genießen kalte Getränke, die Ruhe, das Leben. Noch drei Kilometer liegen vor uns – und alles ist entspannt. Zu zweit vergeht der Weg eben wie im Flug.



Die Distanz entschwindet zu zweit wie im Flug und die schweren Füße kommen erst die letzten Meter vor dem Finale. Am frühen Nachmittag hat Steffi in „Vila Praia de Ãncora“ eine charmante Unterkunft – schön und mit allem, was ihr Pilgerherz braucht gefunden. Wir beschließen, den gemeinsamen Teil des Tages gemütlich ausklingen zu lassen und steuern einen lokalen Imbiss an. Eigentlich wollen wir nur ein paar Tortilla-Chips knabbern, doch was dann auf dem Tisch landet, überrascht uns beide: ein großer Teller, liebevoll gefüllt mit hausgemachter Tortilla – also Kartoffeln, Ei, ein Hauch Zwiebel – zum Preis von nur 5 Euro. Nicht nur günstig, sondern verdammt lecker.


Doch der Camino bleibt für mich der Camino – und so liegt meine Herberge heute nicht direkt am Weg, sondern stolze 1,8 Kilometer abseits. Das passiert, wenn man schnell zwischendurch bucht und sich keine Zeit nimmt. Egal. Und weil ich keine Lust habe, meine Einkäufe (3 große Flaschen Wasser, Nudeln, Tomatensauce, Emmentaler) dorthin zu schleppen, gönne ich mir kurzerhand ein Uber. Der Fahrer kommt aus meiner Vergangenheit und braucht 17 Minuten für die Strecke, für die ich vorher zwei Tage zu Fuß gebraucht habe. Ohne Schmerzen, klimatisiert versteht sich – ohne unvergessliche Erinnerungen. Jetzt bringt er mich in mein Paradies – für eine Nacht. Er fährt durch verwinkelte, steil ansteigende Gassen, kleine Häuschen, passiert das ein oder andere Nadelöhr und kommt höher und höher. Ich denke: gut, dass es Ueber gibt.

Die Herberge „Quinta da Quintas“ liegt folgerichtig oben in den Bergen, mit einem Blick, der mir kurz die Sprache verschlägt. Das Haus selbst? Ein riesiges Dachgeschoss mit liebevoll gezimmerten Holzbetten, alles handgemacht, stilvoll und warm. Draußen: ein Esel mit Jungtier auf einem eingezäunten Stück Land mit Weitblick. Passend dazu Meerschweinchen die jeden Gast laut fiepend um Fütterung bitten und einem kleinen Pool. Überall Kunst im Vintagelook, Sitzplätze, Hängematten, Bäume, die Schatten spenden und Obst, das einfach so wächst, als wüsste es nicht, wie glücklich es uns damit macht.

Mit der Eingangstüre erwartet mich nicht nur Entspannung, sondern auch ein Dilemma der angenehmen Art: Für 35 Euro könnte ich mir morgen früh eine 50-minütige Massage gönnen. Klingt verlockend. Die Zeit? Eng. Aber der Gedanke daran … verführerisch.

Heute Abend gibt es Selbstgekochtes: Nudeln mit Tomatensoße und Reibekäse – danach gelüstet es mir seid Tagen – gefühlte Jahre. Und die Aussicht dazu? Unbezahlbar.


Morgen gehen Steffi und ich tagsüber getrennte Wege. Jeder startet zu seiner Zeit und achtet auf seine Geschwindigkeit. Unser letztes gemeinsames Ziel ist dann eine Herberge, in der wir uns noch einmal treffen, essen, erzählen, lachen werden – bevor sich unsere Pfade endgültig trennen. Sie folgt danach der Küste während es mich ins Landesinnere zieht. Ich freu mich drauf. Und auch darauf, dass bald Galizien ruft. Mit seinen Hügeln. Und seinem Pulpo. Mein Pulpo.

Bom Caminho!