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#Tag 2: Camino-Magie in kleinen Dosen

Der Morgen beginnt, wie die besten Camino-Tage beginnen: ausgeschlafen und tief entspannt in meinem Nachtlager und da war sie – eine Erinnerung an den letzten Tag.

In diesem Fall an den Tag vor der Abreise. Irgendetwas fiel mir beim Packen im Wandschrank buchstäblich vor die Füße – ein zuvor nie benutztes Kühlhandtuch. Bislang missachtet und völlig Wertlos, lag es einfach da. Bereit. Als hätte es die letzten Jahre nur auf diesen Moment gewartet. Natürlich habe ich es eingepackt und das war Gold wert. Oder besser gesagt: kühlendes Gold bei der glühenden Sonne.

Und als wär das noch nicht genug an kleinen „Camino-Wundern“, meldete sich in der Nacht, kurz vor dem Aufbruch, ein alter Bekannter zurück: das vierblättrige Kleeblatt, das mir ein Pilgerfreund einst mitten im Camino Francés in seiner Bodega geschenkt hatte. Eingeschweißt – ein kleines Stück Glück. Ich hatte es längst verloren geglaubt, bis ich barfuß ins Büro lief und etwas unter meinen Füßen klackte. Da lag es. Genau in dieser Nacht. Jetzt reist es mit – sicher eingebettet in meinem Smartphone-Cover, direkt über meinem Herzen. Camino-Zauber? Vielleicht. Oder einfach: genau richtig.

2022 – Camino Francés – das geschenkte Kleeblatt im Heim zweier Pilger


Zum Aufbruch zu meiner kurzen Reise heute gab es erstmal einen leckeren Kaffee, und fünf Kilometer weiter eine erste Rast auf einem Holzplateau inmitten der Dünen. Wäscheleine gehiest – und zack, flatterte meine noch feuchte Kleidung vom Waschtag zuvor im Wind. Nachhaltige Improvisation: mein persönlicher Wäschetrockner mit Panorama. Und als wär der Tag noch nicht kurios genug, kamen zwei Urlauber vorbei. Deutschsprachig. Ich erkannte ihren Dialekt und fragte spaßeshalber: „Kommt ihr aus Baden-Württemberg?“ Treffer. Sie kamen nicht nur aus meinem Heimatbundesland oder gar Heimatstadt, sondern direkt aus meinem Heimatort, einem kleinen Bergdorf bei Karlsruhe. Verrückt. Wir unterhielten uns eine Weile – und am Ende hatten sie ganz neue Möglichkeiten im Umgang mit Smartphone-Fotografie gelernt. Läuft.


Weiter geht es besonders langsam, um meine Füße zu schonen. Sobald die Schmerzen stärker werden, gibt’s eine Rast – und so watschle ich nach einer Weile wie ein kleiner Pinguin durch die Straßen Portugals, auf der Suche nach einer Einkehr. Die ließ auf sich warten, aber als ich endlich ankam, flogen die Schuhe förmlich von den Füßen – und letztere atmeten auf. Leider war ich viel zu flott, so dass ich die Bestellung von Wasserflasche und Meeresfrüchte-Baguette glatt in Wandersocken erledigen musste. Service outdoor – Fehlanzeige.

Aber hey – ich sitze jetzt da, die Füße baumeln an der Bauchtasche am Suhl, die Wäsche ist trocken, das Herz ist leicht. Das Leben ist schön. Wirklich schön.


Am Nachmittag geht es weiter in die nächste Stadt „Vila do Conde“ – mein Ziel für heute. Die Füße schmerzen, machen (sehr) langsam und schon bald kommt sie – die Erlösung: eine kleine Apotheke. Zufall? Vielleicht. Der Kracher ist jedoch, dass sie mein Wundermittel gegen Wasserblasen führt: Betadine. Gibt’s bei uns nicht mehr – hier schon. Und in Spanien sowieso. Passend dazu: vier Spritzen (Wasser raus, Betadine rein). Man weiß ja nie.


Während ich kurz darauf glücklich die Herbergen im Zielort durchtelefonierte, hagelte es Absagen. Eins, zwei, drei, vier, fünf – kein Bett frei. Ich war erstaunt, aber die sechste war bereit für mich: ein Zimmer in einem Weinhotel. Mit vier Pilgerbetten. Für mich allein. Klimatisiert. Gleich geduscht, die Füße verarztet – was will man mehr?


Und so sitze ich jetzt hier im Restaurant und esse Rumsteak für 11 Euro, barfuß, mit gutem Bauchgefühl und Kleeblatt, und denke: Der Camino hat seinen eigenen Plan. Und heute war der einfach wunderschön.

Buen Camino