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Weihnachten, Watschelgang und Wunder: Mein Jahres-Highlight

Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Und wie jedes Jahr stellt sich für mich diese eine Frage: Was war mein besonderer Moment?

Nun ja – wenn man ehrlich ist, gab es mehrere. Aber eines davon hat sich so tief in mein Herz gegraben, dass es dort vermutlich noch eine Weile bleiben will. Wieder einmal war ich unterwegs auf dem Jakobsweg – nur 280 Kilometer. Dieses Mal: langsamer, bedächtiger – gezwungenermaßen. Mein Körper hatte beschlossen, den Turbo-Modus gegen Schneckentempo zu tauschen. Und das war gut so. Denn mit dem Schneckentempo kamen die Besonderheiten des Lebens.

Während andere Pilger stolz von prachtvollen Kirchen, pittoresken Städtchen und malerischen Sonnenuntergängen erzählten, blieben meine stärksten Erinnerungen an den Menschen hängen – nicht an den Steinen. Ich wurde aufgenommen wie ein verlorener Neffe, bekocht, umsorgt und umarmt – als wäre ich schon 500 Jahre Teil dieser Familie. Mit hausgemachten Speisen voller Liebe, Getränken mit Geschichten und Gesprächen, die noch heute nachhallen. Kein Eintritt, kein Preis – nur ein ehrliches Dankeschön. Ich war reich beschenkt.

Ein weiteres Erlebnis, das sich mir tief eingebrannt hat, war ein Moment des Vertrauens: Ich lieh einem Pilgerfreund Geld. Einfach so. Ohne Vertrag. Ohne Netz und doppelten Boden. Statt Sicherheiten gab es einen Hornissenstich – genau in dem Moment, als ich ihm das Geld überreichte. Ein kurioses Zeichen? In diesem Moment des Zweifelns: auf jeden Fall. Doch was ich bekam, war viel größer: eine tiefe Freundschaft, Liebe, echte Nähe. Die letzten Tage verbrachte ich mit ihm und seiner lieben Freundin in Porto – fernab der Touristenpfade, mitten im echten Portugal. Ich durfte das wahre Leben dort erleben, das Glück der Fischer spüren und sehen, wie einfach es manchmal sein kann. Ein Geschenk – nicht in Euro bezahlbar.

Und dann ist da noch diese stille, leise Erkenntnis: Die Langsamkeit hat mich reich gemacht. Während viele durch die Welt hetzen, ihre Kilometer begeistert zählen und Effizienz als Kompass nutzen, bin ich – ungeplant – stehen geblieben. Und dort, im Stehen, habe ich gesehen, was man sonst übersieht: Abzweigungen voller Leben. Menschen voller Tiefe. Geschichten voller Herz.

Jetzt, kurz vor Weihnachten, möchte ich dich einladen: Halte inne. Frage dich nicht, wie weit du gekommen bist, sondern was du unterwegs erlebt hast. Was du gefühlt, gesehen, verschenkt hast. Vielleicht ist Weihnachten genau der Moment, um aus dem Dauerlauf in den Watschelgang zu wechseln – stilecht wie ein Pilger mit Wasserblasen unter den Merinosocken und sonstigen Wehwehchen.

Ich wünsche dir frohe Weihnachten. Und mögest du – egal ob mit oder ohne Pilgerpass – auch im neuen Jahr deine vielen kleinen Wunder nicht verpassen. Sie sind da.

Buen Camino,

dein Mitwanderer im Herzen