Zum Inhalt springen
Startseite » Blog » Tag 6: Wälder, Wasserfälle und Warnungen

Tag 6: Wälder, Wasserfälle und Warnungen

Der Tag beginnt ruhig und gemütlich. Ich packe meine Sachen mit einer Langsamkeit, die sich gerade eben so noch nicht faul anfühlt, sondern bewusst. Ich habe gut geschlafen – auch wenn die Nacht etwas warm war. Und dann: Frühstück. Frisch getoastetes Baguette, Erdbeermarmelade, gut duftender Kaffee. Zum Abschied gibt es noch einen Schluck von einem ganz besonderen Portwein meiner Gastfamilie – „dass muss“ sagte man mir. Und ja, er ist wirklich besonders. So startet man gerne in die nächsten Herausforderungen.

Bevor ich losziehe, verabschiede ich mich noch bei den Schwiegereltern der Gastfamiliei. Auch hier ein Abschied mit Herz. Und so beginnt der Tag auch.

Nach knapp fünf Kilometern erreiche ich eine kleine Herberge und gönne mir eine Pause: ein großer, frisch gemachter Salat, dazu ein Sandwich mit Schinken und reichlich Käse, zwei große Flaschen Wasser. Summe? 8,00 € – passt. Gratis dabei – gute Gesellschaft. Eine junge Österreicherin, die sich nach ihrer Ausbildung eine Auszeit gönnt und einen klaren Blick auf ihr Leben hat, und eine deutsche Pilgerin mit Wasserblasen und 12 Kilogramm im Gepäck. Ich helfe ein wenig: beim Rucksackpacken (schweres nach unten, Last auf die Hüfte), beim Schuhe binden (Blasenprävention durch Extraknoten) – und vor allem mit dem Rat, endlich Ballast abzuwerfen. Sonst wird das mit den Füßen nichts mehr.


Frisch gestärkt geht es in einen traumhaften Wald. Ein Fluss begleitet mich. Die Wege sind steinig, stellenweise herausfordernd – endlich dürfen meine Wanderstöcke zeigen, wofür sie da sind. Ich freue mich fast, dass ich sie mitschleppe. An einer Brücke sehe ich etwas im Wasser – ein Babyaal? Eine junge Ringelnatter? Wer weiß. Ich genieße einfach den Moment: naturbelassen, ruhig, wunderschön. Die Wärme kommt mit der Zeit. Natürlich ich bin bewusst spät gestartet – noch ist alles im Griff.


Der Tag bleibt reines Naturkino. Nach Tagen am Meer fühlt sich das nach echtem Tapetenwechsel an. Kleine Hügel, sogar ein paar Berge – es erinnert mich ein wenig an den Camino Francés.


Ich bin so versunken in die Landschaft, mache viele Pausen, ein Pilgerlädchen mitten im Wald. Man nimmt sich und gibt soviel man mag – Vertrauen pur. Etwas später auf steinigem Pfad beobachte ich Mountainbiker beim Felsenspringen – und vergesse die Zeit.


Plötzlich ist es 17:00 Uhr. Noch 3,8 km bis zur Herberge, die Rezeption schließt um 19:00 Uhr. Unter normalen umständen kein Problem, doch meine Füße sind müde – keine gute Kombination.

Der Endspurt beginnt. Keine Pausen mehr. Die letzten Kilometer ziehen sich wie Kaugummi. Die Füße schmerzen, der Schweiß läuft – und natürlich fehlt oben auf dem Hügel auch noch die Herberge. Sie ist nicht da und ich prüfe mit Google Maps. Ein Schreck! 800 weitere Meter der Hetze. Noch mal Zähne zusammenbeißen.

Dann, endlich: Ankommen. Schuhe aus, Füße lüften, hoffen, dass das Ignorieren des Körpers keine späte Rechnung nach sich zieht. Duschen. Und: kein Essen mehr holen. Stattdessen gibt’s Ravioli aus der Dose – 5 Euro verlangt die Herberge. Dazu etwas Traubenextrakt – nennen wir es so.


Ich setze mich an einen Tisch und lerne zwei tolle Menschen kennen, die in Finnland bei der Armee arbeiten. Ein Gespräch entsteht – über Führung, Hierarchien und schließlich über künstliche Intelligenz. Ich erzähle, was auf uns zukommt. Wie sich Gesellschaften verändern, wie Manipulation möglich wird, wie Framing gestern war. Und ich merke: Wenn selbst das Militär den Fortschritt nicht erkennt, seine Risiken und Chancen nicht sieht.

Huston – wir haben ein Problem. Ein echtes.

Ein Tag voller Natur, Gespräche, Erkenntnisse. Und wieder ein kleines Stück Camino mehr im Gepäck. Buen Camino oder wie es in Portugal heißt „Bom Caminho“.